Juchtenkäfer, Eremit
Osmoderma eremita (Scopoli, 1763)

© Jörg Gebert
Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Käfer (Coleoptera)
Familie: Blatthornkäfer (Scarabaeidae)
Hauptmerkmale
Der Käfer erreicht eine Körperlänge von 20 bis 40 mm und ist braun-schwarz gefärbt mit einer leicht metallisch glänzenden Oberfläche. Beine und Fühler sind schwarz. Die Männchen sind aufgrund einer tiefen Längsfurche im Halsschild eindeutig zu erkennen. Die Flügeldecken sind lederartig gerunzelt, gelegentlich mit undeutlich längs angeordneten Punktreihen. Eremiten gelten als die größten Vertreter der Rosenkäfer (Cetoniinae). Die Männchen verströmen einen intensiven Duft, um Weibchen anzulocken, welcher auch für Menschen wahrnehmbar ist. Der Duft erinnert an reife Pfirsiche oder an frisch gegerbtes Leder (Juchten = Rindsleder).
Lebensraum (Habitat)
Osmoderma eremita ist eine Urwaldreliktart und in Gehölzbiotopen mit altem, höhlenreichem Baumbestand zu finden. Der Juchtenkäfer tritt in lichten Laubwäldern mit hohem Alt- und Totholzanteil, vor allem in Mittel- und Auenwäldern auf. Sekundäre Lebensräume sind Streubobst- und Kopfweidenbestände, Parkanlagen oder Einzelbäume. Bevorzugt werden lebende, stehende Laubbäume mit großen Mulmhöhlen, konstanten Feuchtigkeitsbedingungen, in sonniger Lage aufgesucht, seltener abgestorbene Bäume und Nadelholz. Das Vorhandensein groß dimensionierter Strukturen und großvolumiger Baumruinen trägt positiv zur Entwicklung bei. Eichen (Quercus) und Linden (Tilia) neigen zur Höhlenbildung und werden daher vermehrt aufgesucht. Der Eremit hat eine lange Lebensraumtradition und braucht gesicherte und kontinuierliche Höhlenbäume im Umkreis von wenigen Kilometern (2 bis 4 Kilometer).
Der Eremit ist ein Strukturspezialist. Die Larven des Käfers entwickeln sich im Mulm und verpilztem Holz alter Laubbäume. Solche Höhlenstrukturen bilden sich bei Eichen ab einem Alter von 150 bis 200 Jahren.
Biologie
Die Entwicklungszeit der Larven beträgt drei bis vier Jahre und findet ausschließlich in Mulmhöhlen statt. Die Larven ernähren sich in dieser Zeit von Pilzmyzel, welches in der Innenwand der Höhlen wächst. Dadurch kann die Lebensdauer der besiedelten Höhlen und Bäume eher verlängert als verkürzt werden. Der Käfer ist so in der Lage einzelne Mulmhöhlen über Jahrzehnte erfolgreich zu besiedeln.
Generell gilt der Eremit als standortstreu und breitet sich nur langsam aus. Überbesiedelungen in Höhlen werden jedoch vermieden, durchschnittlich entspricht 1 l Mulm dem Lebensraum einer Larve. Geeignete Höhlen sind in einigen Metern Höhe zu finden, die Besiedelung in Bodennähe wird vermieden.
Die Paarungsplätze liegen in der Nähe der Habitatbäume und nicht auf Blüten wie bei den sonstigen Rosenkäfern. Die Weibchen legen ihre Eier in den Grund der Mulmhöhle.
Der Eremit ist überwiegend dämmerungsaktiv und gilt als „Schirmart“. Seine Anwesenheit deutet auf eine hohe Artenvielfalt xylobionter Arten hin. Durch die Mitwirkung an der Entstehung großer Mulmkörper ist er ferner auch eine „Schlüsselart“ für andere Arten.
Österreich
Verbreitung in ganz Österreich, von den Pannonischen Flach- und Hügelländern bis in das inneralpine Mitelgebirge. Der Eremit lebt in der planaren bis montanen Region (bis rund 1.000 Meter Seehöhe).
Verbreitung in Natura 2000-Gebieten
Quelle: Access-Datenbank der European Environment Agency; Stand Oktober 2017
AT1209A00 Westliches Weinviertel
AT1211A00 Wienerwald – Thermenregion
AT1212A00 Nordöstliche Randalpen: Hohe Wand – Schneeberg – Rax
AT1218000 Machland Süd
AT1219000 Niederösterreichische Alpenvorlandflüsse
AT1220000 Feuchte Ebene – Leithaauen
AT2149000 Schlosspark Krastowitz
AT2218000 Feistritzklamm/Herberstein
Status Rote Liste Österreich
stark gefährdet (EN)
regional vom Aussterben bedroht (z.B. Kärnten, Steiermark)
Status FFH-Richtlinie
Anhang II und IV (prioritär)
Gefährdungsursachen
- Umwandlung der ursprünglichen Waldlebensräume in nadelholzdominierten, altersgleichen Wirtschaftswald
- Entfernung alter, höhlentragender Laubbäume (v. a. Linden, Eichen, Hainbuchen und Rotbuchen)
- Rodung von Streuobstbeständen und fehlende Nachpflanzung von Hochstamm-Obstbäumen
- geringe Flugfähigkeit der Tiere (max. 2 km)
Mögliche Schutzmaßnahmen
- Lichte, naturnahe Auen- und Laubmischwälder erhalten
- Altholzinseln und Altholzstreifen an sonnigen Standorten belassen
- Gehschützte zusammenhängende Bestände möglichst vieler alter, höhlenreicher Laubbäume erhalten
- Ungleichmäßige Altersstrukturierung größerer Waldkomplexe fördern
Erhaltungszustand
Ellmauer, T. et al. (2013): Bewertung des Erhaltungszustands von Lebensraumtypen und Arten in Österreich gemäß Artikel 17 FFH-Richtlinie
Alpine Region | Verbreitungsgebiet | Population | Habitatfläche & Habitatqualität | Zukunftsaussichten |
Einzelbewertung | ungünstig-schlecht | ungünstig-schlecht | ungünstig-schlecht | ungünstig-schlecht |
Trend | gleich bleibend | in Verschlechterung | in Verschlechterung | |
Gesamtbewertung | ungünstig-schlecht | |||
Gesamttrend | in Verschlechterung |
Kontinentale Region | Verbreitungsgebiet | Population | Habitatfläche & Habitatqualität | Zukunftsaussichten |
Einzelbewertung | ungünstig-schlecht | ungünstig-schlecht | ungünstig-schlecht | ungünstig-schlecht |
Trend | gleich bleibend | in Verschlechterung | in Verschlechterung | |
Gesamtbewertung | ungünstig-schlecht | |||
Gesamttrend | in Verschlechterung |
Literatur
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