Nachlese Workshop „NATURA 2000 – Artenvielfalt im Wald“
Termin: 11. März 2020
Veranstaltungsort: Oktogon Am Himmel, 1190 Wien
Zusammenfassung
Der dritte Workshop der „Arbeitsplattform.Artenvielfalt – besonderer Schutz für besondere Arten. NATURA2000 Artenvielfalt im Wald. Maßnahmenerarbeitung zwischen Bewirtschaftung und Lebensraumansprüchen“ wurde von knapp 50 TeilnehmerInnen besucht. Darunter waren VertreterInnen aus unterschiedlichen Organisationen und Institutionen (Behörden, Waldbewirtschaftung, Wissenschaft, NGOs, Naturschutz).
Nach einer kurzen Einführung in das Tagesprogramm durch die Moderatorin Astrid Kuffner und einer Begrüßung die Veranstalter Präsident des Kuratorium Wald Gerhard Heilingbrunner, Projektleiter Gerald Gimpl und Projektpartner des BFW Georg Frank, folgte ein Vortrag zum aktuellen Projektstand. Georg Frank schloss mit einer Einleitung in die Thematik „Waldbewirtschaftung und Naturschutz – Möglichkeiten und Herausforderungen“ an. Danach stellten die Artenexperten der 6 im Workshop zu behandelten Artengruppen (Amphibien, Käfer, Fledermäuse, Schmetterlinge, Moose, Große Beutegreifer & Biber) ihre Steckbriefe zu den waldassozierten FFH Wald Arten vor.
In den Arbeitskreisen wurden schließlich die Ansprüche der FFH Arten sowie die der WaldbewirtschafterInnen erarbeitet, prioritäre Herausforderungen bei der Förderung der Lebensraumansprüche der Arten und deren Umsetzbarkeit in bewirtschafteten Wäldern diskutiert. Mit dieser Veranstaltung endete die Workshop-Reihe der „Arbeitsplattform.Artenvielfalt“. Im nächsten Schritt werden die von ArtenexpertInnen erstellte Steckbriefe und die im Workshop diskutierten Maßnahmen zu einem Handbuch zusammengefasst.
Einführungsvorträge
Gerald Gimpl stellte das Projekt vor. Der Projektablauf besteht aus der Erarbeitung von Steckbriefen zu 3 FFH Lebensraumtypen und 31 Waldarten. Zur Umsetzung dieser fanden insgesamt drei Workshops statt, deren Ergebnisse in ein Handbuch zu den Natura 2000 – Wald Arten und den drei Lebensraumtypen eingearbeitet werden. Basis des Handbuchs ist die FFH Richtlinie und deren wald-relevante Schutzgüter. Das Ziel des Handbuches soll einen Leitfaden zur Unterstützung naturnaher Waldbewirtschaftung für FFH Schutzgüter bieten, mit dem Grundsatz so genau wie möglich für die FFH Schutzgüter, aber so flexible wie möglich für die BewirtschafterInnen gestaltet zu sein.
Spezifische Ziele sind die Unterstützung der Umsetzung der Natura 2000 Richtlinien im Wald, eine Wissenserweiterung über die Schutzgüter und eine Analyse der Einwirkfaktoren auf diese. Die Theoretischen Anforderungen dafür sollen mit Erfahrungen aus der Praxis diskutiert werden. Eine Aufrechterhaltung und Intensivierung der Kommunikation zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz wird für dieses Projekt als Schirm-Ziel angesehen. Es wird darauf hingewiesen, dass es dabei nicht darum geht Gebiets-bezogene Schutzkonzepte zu ersetzen, verpflichtende oder vorprüfungspflichtige Maßnahmen zu formulieren oder neue Regeln für die Waldbewirtschaftung zu schaffen. Eine Tabelle der Erhaltungszustände der Arten zeigt, dass mehr als die Hälfte der bearbeiteten Arten im kontinental- und/oder Alpinraum in einem ungünstigen Erhaltungszustand sind, während nur 2 Arten teilweise im günstigen Erhaltungszustand in Österreich sind (Biber in der kontinentalen biogeographischen Region und Rogers Goldhaarmoos in der alpinen biogeographischen Region).
Georg Frank, Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landwirtschaft, setzte mit einem Vortrag über die Möglichkeiten und Herausforderungen von Waldbewirtschaftung und Naturschutz fort. Als drei Hauptstrategien stellte er Segregation, Integration und Kombination vor und plädierte für eine integrative Förderung der Biodiversität. Wichtig sei außerdem, einfache, aber wirksame Maßnahmen zu setzten, die von jedem Bewirtschafter umgesetzt werden können. Dazu zählen zum Beispiel die Förderung und Ausnutzung naturnaher Waldstrukturen und Baumartenzusammensetzung, der Prozesse und Dynamik durch Naturverjüngung, den Schutz der Waldböden, aber auch der Schutz von Arten durch liegendes oder stehendes Totholz, Waldrandstrukturen und Kleinbiotopen. Er wies aber auch darauf hin, dass für den Schutz bestimmter Arten eine Kenntnis derer vorhanden sein muss, und dass es wichtig sei zu kennen, was man schützt. Sollte dies durch die Unscheinbarkeit oder Seltenheit der Art nicht einfach sein, ist die Zusammenarbeit mit Spezialisten von Vorteil. Diese würden auch die Habitatansprüche der Art kennen, aufgrund derer dann sinnvolle Maßnahmen umsetzbar werden. In Bezug auf die Kommunikation zwischen Naturschutz und Waldbauer, warnt er vor Verallgemeinerungen der Maßnahmen, die konkrete Umsetzungen für den Waldbauern erschweren (zB. „Unterschutzstellung aller Vorkommensgebiete“ oder „Nicht-Erschließung“). Stattdessen sollten Art-spezifische, konkrete Maßnahmenvorschläge, die realistisch umsetzbar sind, erarbeitet werden. Er wünscht sich auch, dass die Grundlagen moderner Waldbewirtschaftung, wie zB fachgerechter Maschineneinsatz und schonende Aufschließung durch Forststraßen und Rückewege, nicht als per se schlecht für den Naturschutz angesehen werden. Zusammenfassend gehe es um Schutzgebiete, sowie integrative Maßnahmen, Kooperation und „fair-play“.
Vorträge der ArtenexpertInnen
Horst Leitner,Büro für Wildökologie & Forstwirtschaft, begann mit der Vorstellung der Lebensraumansprüche des Bibers und der großen Beutegreifer, den damit verbundenen Erhaltungsziele und Maßnahmen. Für den Biber zählten vor Allem eine standortgerechte Uferrandgestaltung zu den Maßnahmen, während die Maßnahmen für die großen Beutegreifer Wolf, Bär und Luchs vor allem auf Waldstruktur, Lebensraumvernetzung, angepasste Schalenwilddichte und Ruhegebiete abzielten.
Thomas Frieß vom Ökoteam schloss mit einem Vortrag der Habitatansprüche waldassoziierter FFH-Käferarten und Möglichkeiten zu deren Förderung an. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei einigen der gelisteten Arten der Wissensstand unzureichend ist und/ oder letzte Nachweise der Vorkommen veraltet sind. Für diese wurden keine Maßnahmen vorgeschlagen. Arten, für die aktuell vitale Populationen bekannt sind, sind bereits in Schutzgebieten. Dazu zählt der Goldstreifige Prachtkäfer. Für weitere Arten, wie den Schwarzen Grubenlaufkäfer, den Hirschkäfer, den Großen Eichenbock, oder den Scharlachroten Plattkäfer ist das Vorhandensein geeigneter Brutbäume so wie Totholz in unterschiedlichen Stärken von Bedeutung.
Dominik Rabl, Universität für Bodenkultur, stellte die zwei gelisteten Schmetterlingsarten vor. Dabei wies er auf die hohe Verwechslungsgefahr des Östlichen Senf-Weißlings mit anderen Arten der Gattung hin – ein gutes Exempel für die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit Spezialisten. Sowohl für den Östlichen Senf-Weißling als auch für den Eschen-Scheckenfalter wurde Habitatfragmentierung als eine der Gefährdungsursachen postuliert.
Senta Huemer, Ökoteam, ging auf die FFH Fledermäuse ein. In ihrem Vortrag stellte sie die Lebensraumansprüche der vier gelisteten Wald-Fledermausarten vor. Die Mopsfledermaus entspricht einer klassischen Waldfledermaus, das Mausohr ist ein Bodenjäger, die Kleine Hufeisennase hat einen geringen Aktionsradius und die Große Hufeisennase gehört zu der am Stärksten bedrohten Art mit nur einer bekannten Wochenstube in Österreich. Allgemein empfiehlt sie zum Beispiel, auf naturnahe, schonende Bewirtschaftung mit langer Umtriebszeit zu achten, um die Arten zu fördern, im Detail sind die Ansprüche der einzelnen Arten wieder sehr verscheiden – zum Teil widersprechen sie sich sogar. Es kommt sehr darauf an, ob die Art wein Bodenjäger ist, wie die Mopsfledermaus, dann braucht sie einen hallenwaldartigen Bestand ohne Unterwuchs, oder wie die Kleine Hufeisennase in laubholzreichem Unterwuchs ihre Nahrung sucht. Die Durchführbarkeit der Maßnahmen sind demnach je nach Fledermausart, Waldtyp und Bewirtschaftungsform unterschiedlich – können jedoch sehr gezielt umgesetzt werden.
Christian Schröck von den OÖ. Landesmuseen erläuterte in seinem Vortrag die besonderen Ansprüche von FFH-Moosen. Diese kommen auf unterschiedlichen Kleinhabitaten vor, wie Baumrinden, Felsen und Totholz. Zur Förderung der Vorkommen von Felsmoosen empfiehlt er punktgenaue Erfassung der Vorkommen und Standortschutz. Für den Schutz von Rindenbewohnern ist gezielter Trägerbaumschutz bzw. Anwärterschutz, die Sicherung des Standortklimas und das Einrichten langfristiger Naturwaldbereiche für das Durchlaufen aller Entwicklungsstadien notwendig. Totholzmoose finden zum Beispiel durch Auflichten dichter Bestände und aktive Totholzanreicherung ihren Lebensraum. Zum Schluss weist Herr Schröck darauf hin, dass viele Moose Kontinuität der Lebensraumdynamik wichtig ist und gezielte Schulungen mit GrundbesitzerInnen, ForstwirtInnen und SchutzgebietsbetreuerInnen zu einem erfolgreichen Schutz der FFH Moose führen kann.
Günter Gollmann, Universität Wien präsentierte zum Abschluss die Amphibien nach Anhang II der FFH Richtlinie. Dazu gehören die Rotbauchunke, der Donaukammmolch, der Nördliche Kammmolch und der Alpenkammmolch. Sie profitieren im Wald durch die Anlage und Erhaltung von Gewässern und der Auslichtung des Waldes in Gewässernähe. Forststraßen können für diese Arten positive Aspekte mit sich bringen, da sie Pufferzonen zu Gewässern darstellen und Kleinhabitate an deren Rand schaffen. Temporäre Gewässer sollten in Hinsicht auf Holzbringung und -lagerung schonend behandelt werden. Eine Präsentation steht nicht zur Verfügung.
Die Präsentation zu den im Projekt behandelten Arten , die wir mit Erlaubnis der Vortragenden zur Verfügung stellen dürfen, finden Sie hier:
Download: Große Beutegreifer und Biber von Horst Leitner (Büro für Wildökologie und Forstwirtschaft)
Download: Fledermäuse von Senta Huemer (Ökoteam)
Download: Käfer von Thomas Frieß (Ökoteam)
Download: Schmetterlinge von Martin Strausz und Dominik Rabl
Das Programm finden Sie hier