Tagungsprotokoll
Einleitende Statements
Mit dem Beitritt zur Europäischen Union vor gut 20 Jahren hat sich Österreich verpflichtet auch europäische Naturschutzrichtlinien umzusetzen. Das europaweite Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 sei in Österreich allerdings lange Zeit nicht ernst genommen und von verschiedensten Seiten negiert worden, betonte Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Kuratorium Wald, in seinen Begrüßungsworten. In jüngerer Vergangenheit ist jedoch Bewegung in die Umsetzung von Natura 2000 gekommen, nicht zuletzt aufgrund des Drucks der Europäischen Kommission. Nach wie vor bestehe in Österreich Unwissenheit über Ziele und Funktionsweise von Natura 2000, vor allem Naturschutz und Forstwirtschaft hätten hier oftmals aneinander vorbeigeredet. Eine gemeinsame Diskussion über Natura 2000 im Wald sei daher von besonderer Bedeutung und stellt auch das Ziel der Veranstaltungsreihe NATURA2000.WALD dar. Die Furcht aufseiten der Wirtschaft und der WaldeigentümerInnen vor Natura 2000 sei jedenfalls unbegründet, da Natura 2000 eine wirtschaftliche Nutzung der Flächen keinesfalls ausschließt. Die neue (alte) Bundesregierung müsse sowohl die ökonomische als auch die ökologische Dimension des Themas Natura 2000 im Wald erkennen und die ausreichende Finanzierung von Natura 2000 sicherstellen.
Die Veranstaltungsreihe NATURA2000.WALD wurde von der Abteilung Natur- und Artenschutz, Nationalparks des Lebensministeriums initiiert. Als stellvertretende Leiterin der Abteilung hob Viktoria Hasler die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Biodiversitätserhalts hervor. Die Umsetzung von Natura 2000 als auch einer österreichischen Biodiversitätsstrategie ist von nationalem Interesse, die gesamte Zivilgesellschaft solle daran partizipieren können. Die Art und Weise der ersten Ausweisung von Natura 2000-Gebieten in Österreich habe jedoch zu einer „lose-lose“-Situation geführt, das heute bestehende Misstrauen gegenüber Natura 2000 habe seinen Ursprung vor allem in der damals unzureichenden Einbindung der GrundeigentümerInnen. Es gibt zwar positive Beispiele für die Umsetzung von Natura 2000 in Österreichs Wäldern, etwa im Rahmen von Life Projekten, insgesamt fehle es aber an wegweisenden „Best Practice“-Beispielen sowie einer klaren Umsetzungsstrategie.
Gerhard Mannsberger, Leiter der Sektion Forstwesen im Lebensministerium, wies auf die große Bedeutung des Waldes für Österreichs Kulturlandschaft hin. Wälder werden seit Jahrhunderten bewirtschaftet und sind Arbeitsplatz, Rohstofflieferant, Erholungsraum, Schutz vor Naturgefahren und Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Da sich Wald in Österreich zum großen Teil in privater Hand befindet, brauche es einen offenen Dialog bei waldrelevanten Themen. Mit 530.000 Hektar sind Wälder auch wesentlicher Bestandteil des Natura 2000-Netzwerks in Österreich, insgesamt 13% der österreichischen Waldfläche liegen in den 219 österreichischen Natura 2000-Gebieten.
Bei der Umsetzung von Natura 2000 im Wald ist es entscheidend, sämtliche Beteiligte mit ins Boot zu holen, das Lebensministerium möchte dabei eine tragende, leitende Rolle übernehmen. Die biogeographischen alpinen Seminare etwa können dazu beitragen, mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu lösen. So konnte das konfliktträchtige Thema der Außer-Nutzung-Stellung von Waldflächen im kürzlich stattgefundenen biogeographischen alpinen Seminar in Graz auf eine vernünftige Diskussionsbasis gebracht werden. Wildnisgebiete stellen eine Option dar, Natura 2000 im Wald steht in den allermeisten Fällen aber für den integrativen Naturschutzansatz. In Graz wurden auch weitere Workshops zum Thema Natura 2000 und Wald vereinbart. Biodiversitätserhalt im Wald könne nur gelingen, wenn entsprechende Maßnahmen auf der Fläche auch umgesetzt werden. Die WaldbesitzerInnen müssen dafür gewonnen und aktiv in den Umsetzungsprozess eingebunden werden. Aus Sicht der Forstwirtschaft stellen der Respekt vor dem Eigentum und ein adäquater wirtschaftlicher Ausgleich weitere wichtige Forderungen in Bezug auf Natura 2000 dar. Information und Bewusstseinsbildung müsse dort ankommen, wo sie gebraucht werden, daher seien Projekte wie NATURA2000.WALD notwendig und zu unterstützen.
Natura 2000 und Wald im Lichte europäischer und nationaler Naturschutzpolitik
François Kremer, Koordinator für Natura 2000 in der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission und u.a. zuständig für die neuen biogeographischen Natura 2000 Seminare, erläuterte den TagungsteilnehmerInnen Ziele und Philosophie von Natura 2000. Mit mehr als 27.000 Einzelgebieten und mehr als einer Million km² ist Natura 2000 das größte koordinierte Schutzgebietsnetzwerk weltweit.
Die wichtigsten Schritte beim Aufbau des Natura 2000-Netzwerks sind die Auswahl der Gebiete nach klar definierten Grundsätzen sowie die Definition und Festlegung von Erhaltungszielen und Erhaltungsmaßnahmen. Die Gebietsausweisung ist dabei weitestgehend abgeschlossen, nur in einzelnen Ländern – darunter auch Österreich – besteht noch deutlicher Nachholbedarf. Unter Erhaltungszielen ist viel mehr zu verstehen als eine bloße Liste von Arten und Lebensräumen. Erhaltungsziel könne sowohl die Bewahrung als auch eine Verbesserung des derzeitigen Zustands sein, essentiell ist jedenfalls eine gebietsspezifische Betrachtung, um den Beitrag eines Gebietes zur Bewahrung oder ggf. Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustands von Schutzgütern zu maximieren.
Ein elementares Prinzip von Natura 2000 ist die Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen sowie der regionalen und örtlichen Besonderheiten. Dies ist bislang häufig nicht richtig verstanden und umgesetzt worden. Weitere wichtige Grundsätze sind das „Arbeiten mit der Natur“ sowie die Anwendung des Vorsorgeprinzips (Schadensminderungsmaßnahmen) anstelle der bislang gebräuchlichen Praxis von Ausgleichsmaßnahmen für entstandene Schäden.
Der Wald ist für Natura 2000 europaweit von Bedeutung, 23% der Waldfläche in der EU sind als Natura 2000 ausgewiesen, die Hälfte des gesamten Natura 2000-Netzwerks besteht aus Wäldern. Die Forstwirtschaft ist es gewohnt mit der Natur zu arbeiten und verdient in dieser Hinsicht Anerkennung, denn oftmals hat sie dazu beigetragen, wertvolle Lebensräume zu bewahren. Andere Sektoren wie Häfen haben hierbei deutlich größere Anpassungsprobleme, aber auch hier ist es gelungen, Natura 2000 umzusetzen. Nachhaltige Waldbewirtschaftung gehört prinzipiell zu Natura 2000 und soll idealerweise aktiv zur Erreichung der Erhaltungsziele beitragen und die vielfältigen Ökosystemleistungen inklusive Artenvielfalt sichern. Waldbesitzer und -bewirtschafterInnen sollten ausführlich und frühzeitig über Ziele von Natura 2000 informiert und in die Umsetzung eingebunden werden, auch der Naturschutz sollte in selbem Maße über die waldbaulichen Ziele in Natura 2000-Gebieten informiert werden. Daher ergeht der Appell an die WaldbewirtschafterInnen, sich mit Natura 2000 auseinanderzusetzen und aktiv daran mitzuwirken. Die Nutzung von Synergien durch Partnerschaft und Zusammenarbeit stellt den erfolgversprechendsten Weg bei Natura 2000 dar. Den WaldbesitzerInnen gebühren für die freiwillige und aktive Teilnahme Anerkennung und den Umständen entsprechende finanzielle Entschädigungen. Die Sicherstellung einer entsprechenden Finanzierung stellt einen weiteren wichtigen Eckpunkt bei der Umsetzung von Natura 2000 im Wald dar. Aufgrund der Ablehnung einiger Mitgliedsstaaten steht heute kein eigener Finanzierungsfond für Natura 2000 zur Verfügung, deshalb gilt es die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten und -fonds bestmöglich zu nutzen.
Zahlreiche Beispiele aus anderen europäischen Mitgliedsländern zeigen, wie eine gemeinsame Umsetzung von Natura 2000 gelingen kann. In Frankreich bestehen für jedes Gebiet Bewirtschaftungspläne und Komitees mit allen InteressensvertreterInnen, in denen gemeinsam Maßnahmenumsetzungen diskutiert werden. Auch in den Niederlanden ist die Erstellung von Bewirtschaftungsplänen obligatorisch, in einem langen Entwicklungsprozess und mit allen Beteiligten. Zusammenarbeit und der Austausch zwischen den Mitgliedsländern ist bei der Umsetzung von Natura 2000 daher ein Gebot der Stunde. Der seit vielen Jahren stattfindende Forstdialog in Österreich kann als positives Beispiel für andere Mitgliedsstaaten gelten, ein derartiger Dialog muss in der EU erst wieder neu begonnen werden. Mit Blick in die Zukunft kündigte François Kremer die Veröffentlichung eines Leitfadens der EU-Kommission zu Natura 2000 im Wald voraussichtlich Ende 2014 an, der ein Konsensdokument und die Sichtweise von Natura 2000 im Wald darstellen soll. Auch die im Rahmen des sogenannten neuen biogeographischen Prozess stattfindenden Natura 2000 Seminare, wie z.B. das Alpine Seminar und der darauf folgende Kooperationsprozess, an dem sich alle 12 Mitgliedsstaaten des alpinen Raums beteiligen, sollen zu einem besseren Verständnis für Natura 2000 und einer verstärkten Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen beitragen.
Astrid Rössler betonte in ihrem Vortrag, dass eine rein wirtschaftliche Betrachtung des Waldes jedenfalls zu kurz greife. Aufgrund der vielfältigen Ansprüche der Gesellschaft an den Wald ist eine Abwägung notwendig, welche Wälder wir uns in Zukunft wünschen, in welcher Art Waldflächen bewirtschaftet werden sollen und ob bestimmte Beschränkungen sinnvoll sind. Die Landeshauptmann-Stellvertreterin und Naturschutzlandesrätin in Salzburg zeigte anhand ihrer Erfahrungen aus der Umweltanwaltschaft konkrete Problembereiche auf. Bei der forstlichen Erschließung etwa müssen Landschaftsästhetik und ökologische Belange vor allem in sensiblen Gebieten deutlich mehr Berücksichtigung finden. Eine dahingehende Änderung der Sichtweise bei der Trassenplanung von Forstwegen sei bereits zu erkennen. In Sachen Raumplanung und forstlicher Nutzung gelte es die verschiedenen Interessen zu vereinbaren, denn nach wie vor stehen naturschutzfachlich hochwertige Lebensräume unter großer Bedrängnis. Auch im Land Salzburg bestehe hier ein Sündenregister, etwa durch die Schädigung wertvoller Auwaldflächen. Bei Betriebsansiedlungen oder der Errichtung von Gewerbezonen führe ein hohes öffentliches Interesse nicht selten dazu, dass wertvolle Waldflächen zerstört werden. Der Naturschutz braucht ein hohes Maß an diplomatischem Geschick und muss in der Öffentlichkeit rechtfertigen, wenn bestimmte Handlungen und Vorhaben durch den Artenschutz eingeschränkt werden. So stelle etwa Vogel- und Fledermausschutz in Verbindung mit der Errichtung von Windparks ein Thema dar, dass in der Öffentlichkeit schwierig zu diskutieren sei. Im Rahmen von Mediationsverfahren muss erklärt werden, dass neben Anrainerinteressen auch die Lebensraumansprüche bestimmter Arten Berücksichtigung finden.
Zu all diesen Ansprüchen kommt die Umsetzung von Natura 2000 hinzu und wirft zusätzliche Fragen auf. So gibt das österreichische Forstrecht keine Antwort darauf, wie etwa eine europarechtskonforme Nutzung von Zirbenwäldern im Nationalpark Hohe Tauern auszusehen hat. Wieviel Zirbenholz kann geschlagen werden, wie hat die Holzbringung zu erfolgen? Für die Abwägung und Vereinbarung der verschiedenen Ansprüche von Landnutzung und Naturschutz fordert Astrid Rössler vor allem einen konstruktiven Dialog. Insbesondere bei der Umsetzung von Natura 2000 im Wald herrsche noch massiver Kommunikationsbedarf über die unterschiedlichen Nutzungswünsche. Die Einbeziehung ökologischer Argumentationen bei waldrelevanten Planungen dürfe jedenfalls nicht in das Eck der Schikane oder übertriebener Liebhaberei abgeschoben werden. Die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf den Naturhaushalt sind oftmals nicht vorauszusehen und ein vorsorglicher Umgang mit den natürlichen Ressourcen daher wichtiger denn je. Der Naturschutz habe jedenfalls auch einen Bildungsauftrag, die möglichen Konsequenzen auf den Naturhaushalt zu diskutieren, denn vieles geschehe auch noch aus Unwissenheit. Natura 2000 fordere die Zusammenarbeit aller Beteiligten unter dem Dach der ökologischen Vielfalt.
Umsetzung von Natura 2000 im Lebensraum Wald: Status Quo, Leitlinien, Handlungsfelder
Hermann Hinterstoisser, ausgebildeter Forstwirt und u.a. Leiter des Naturschutz-Fachdienstes beim Amt der Salzburger Landesregierung sowie gemeinsamer Ländervertreter im Europarat, forderte in seinem Vortrag zur verstärkten Zusammenarbeit von Forst und Naturschutz auf. „Biologen wissen, was für den Erhalt von Arten notwendig ist, Forstleute wissen, wie man es praktisch umsetzen kann“. Man dürfe nicht vergessen, dass Natura 2000 auch die Vogelschutzrichtlinie einschließt und dass Natura 2000 nur einen Ausschnitt der Biodiversität im Blick hat. Der Erhalt biologischer Vielfalt benötigt auch den Blick über die Grenzen von Natura 2000-Gebieten hinaus.
Wälder stellen komplexe, dynamische Systeme dar, die sich auch bei Ausschluss menschlichen Eingriffs stetig verändern. So wird auf einer Waldfläche nie ein fixer ökologischer Zustand herrschen und zukünftige Entwicklungen sind nicht immer vorhersehbar. Bei entsprechender Bewirtschaftung wird z.B. subalpiner Fichtenwald dauerhaft erhalten, bei einer Außer-Nutzung-Stellung können natürliche Ereignisse zu Veränderungen und zur Entstehung eines anderen Lebensraumtyps führen. Für den Erhalt im Fokus von Natura 2000 stehender Arten und Lebensräumen ist eine, nicht nur im Sinne der Holzmenge, nachhaltige Forstwirtschaft in vielen Fällen nicht nur weiter erlaubt, sondern auch unbedingt notwendig. Allerdings müsse jedem bewusst sein, dass zahlreiche Arten vollkommen oder teilweise auf den Wald als Lebensraum angewiesen sind. In forstwirtschaftlich genutzten Waldbeständen fehlen die ökologisch besonders bedeutsamen Terminal- sowie Zerfallsphasen weitestgehend, wodurch das Überleben zahlreicher Arten gefährdet ist. Mit gezielten Maßnahmen wie der Förderung von Alt- und Totholzstrukturen könne dem entgegen gewirkt werden. Für den Erhalt bestimmter Arten, wie den Eschen-Scheckenfalter seien immer wiederkehrende Maßnahmen notwendig.
Natura 2000 benötigt ein klares rechtliches Gerüst, um bspw. die Durchsetzung gegenüber Dritten gewährleisten zu können. Die praktische Umsetzung im Wald geschieht jedoch durch freiwillige bilaterale Vereinbarungen, die im Bundesland Salzburg bereits seit 1995 bestehen. Als besonders wichtig erachtet Hermann Hinterstoisser die Integration der Natura 2000-Ziele in die forstliche Planung. Naturnahe Waldwirtschaft könne eine geeignete Methode sein und bietet bspw. durch die Minimierung des Produktionsrisikos auch Vorteile für WaldbewirtschafterInnen. Beim Thema Biomassemobilisierung seien derzeitige Entwicklungen wie die Feinastnutzung u.ä. kritisch zu sehen. Waldbauliche Kenntnisse sollten im Wald wieder umgesetzt und der Kahlschlag nicht als einzige Bewirtschaftungsmethode gesehen werden. Die Umsetzung waldbaulicher Maßnahmen in Natura 2000-Gebieten werde auch aufgrund des geringen Personals immer schwieriger.
Hermann Hinterstoisser appellierte bei der Umsetzung von Natura 2000 für eine ausgewogene Maßnahmenfindung, die Kombination segregativer und integrativer Vorgangsweisen und eine langfristige, gemeinsam entwickelte Planung. WaldbewirtschafterInnen sollen frühzeitig eingebunden werden, auch um ihre Fachkenntnisse einzubringen.
In seinem Vortrag machte Christoph Leditznig darauf aufmerksam, dass ein dauerhafter Erhalt biologischer Vielfalt der Wälder auch Ziel des österreichischen Forstgesetzes ist und hier klare Übereinstimmungen mit den Vorgaben von Natura 2000 vorliegen. Zur Erreichung dieses Ziels können verschiedene Instrumente dienen, so auch das Zulassen natürlicher Entwicklungsprozesse im Wald unter Rücknahme menschlicher Einflüsse, wie im Wildnisgebiet Dürrenstein in Niederösterreich. „Non Intervention Management“ stellt jedoch die Ausnahme dar und muss durch Verträge mit den WaldbewirtschafterInnen und basierend auf Freiwilligkeit geregelt werden. Bei Natura 2000 steht die Außer-Nutzung-Stellung großflächiger Waldflächen jedenfalls nicht im Vordergrund, betonte der Geschäftsführer des Wildnisgebiets, sondern die Umsetzung einer naturnahen Waldwirtschaft mit Rücksicht auf die schutzbedürftigen Lebensräume und Arten. Durch standortgerechte Baumartenmischung oder der Einsatz von Naturverjüngung werde auch die Erreichung forstwirtschaftlicher Ziele gefördert. Standortpotenziale sollen auch in Natura 2000-Waldgebieten weiterhin nutzbar bleiben, so könne es in einem Buchenwald im alpinen Bereich nicht das Ziel sein, die Fichte komplett aus dem Bestand zu entfernen. Am Beispiel der Pufferzonen im Wildnisgebiet Dürrenstein veranschaulichte Christoph Leditznig eindrücklich, dass verstärkte Zusammenarbeit von Forstwirtschaft und Naturschutz für beide Seiten gewinnbringend sein kann. Übergangszonen von Schutzgebiet zu Wirtschaftswald besitzen durch die Borkenkäferproblematik großes Konfliktpotenzial und befinden sich bislang meist innerhalb der Schutzgebiete, mit vor allem psychologisch nachteiligen Effekten. Denn bei Käferkalamitäten trägt aus Sicht der WaldbewirtschafterInnen immer das Schutzgebiet die Schuld. Vor kurzem wurden Pufferzonen außerhalb des Wildnisgebiets Dürrenstein eingerichtet, die von Gebietsmanagement und WaldbewirtschafterInnen gemeinsam betreut werden. Dies wird vertraglich gefördert und WaldbewirtschafterInnen für den auftretenden Mehraufwand finanziell entschädigt.
Es werde kaum gelingen, alle von Natura 2000 zu überzeugen, doch brauche es jedenfalls mehr Aufklärung und eine bessere Öffentlichkeitsarbeit über Natura 2000 im Wald. Christoph Leditznig ortet hier eine Bringschuld der zuständigen Behörden, besser über die Schutzgebiete zu informieren, denn nach wie vor wüssten die Menschen kaum über Ziele als auch Chancen des Schutzgebietsnetzwerks Bescheid. Zur besseren Vermittlung können vor allem Projektbeispiele wie das Netzwerk Naturwald dienen, das sich um die Vernetzung von Waldlebensräumen rund um die Nationalparke Kalkalpen und Gesäuse bemüht. Ökologische Aspekte sollten auch in der forstlichen Ausbildung mehr Raum einnehmen und verstärkt behandelt werden.
Als Obmann von Pro Silva Austria und Waldbesitzer betonte Eckart Senitza in seinem Vortrag, dass Natura 2000 im Wald nur mit naturnaher Waldwirtschaft erfolgreich sein könne. Österreichs Wälder sind geprägt von einer kleinteiligen Besitzstruktur, außerdem hat jeder Waldstandort seine eigene Geschichte. Beides müsse bei der Umsetzung von Natura 2000 berücksichtigt werden. Die hohe Vielfalt der Wälder sei nicht selten bedingt durch die menschliche Nutzung, der Naturschutz lege hier teilweise konträre Sichtweisen an den Tag. Der Druck auf die Wälder sei in der Vergangenheit bedeutend größer gewesen als heute. Grundsätzlich werde die Wertigkeit des Handelns im Wald hinsichtlich der Naturverträglichkeit immer häufiger hinterfragt und dies werde sich auch in Zukunft noch verstärken.
Bei der Umsetzung von Natura 2000 sieht Eckart Senitza die Auswahl der Gebiete kritisch, auch die kürzlich erstellte Schattenliste des Umweltdachverbands. Bei der Gebietsauswahl sei vonseiten des Naturschutzes oftmals viel Wunsch hineininterpretiert worden, in großflächigen Schutzgebieten befänden sich oft nur kleine Schutzgutvorkommen. Die Umsetzungsprozesse seien jedenfalls schwer nachvollziehbar und würden fachliche Schwächen und Schnellschüsse aufweisen. Artenverluste aufgrund externer Einflüsse werden kaum berücksichtigt und thematisiert, ein besonders wichtiges Thema im Wald sei bspw. auch der Wildeinfluss.
Bei der Umsetzung von Natura 2000 müsse eine gewisse Großzügigkeit und Handlungsfreiheit bestehen bleiben, wie Naturschutzaspekte im Wald ein- und umgesetzt werden. So stellt sich etwa die Frage, was bei einem Eigentümergenerationswechsel mit vereinbarten naturschutzfachlichen Maßnahmen passiere. Natura 2000 werde auch nicht allein durch das Österreichische Waldökologie Programm (ÖWÖP) finanziell zu bewältigen sein. Eckart Senitza kritisierte Detailplanungen in mehreren Schichten und plädierte für regionale Naturschutzpläne, die in die Betriebe integriert werden können. Eine gewisse Großzügigkeit bei der Umsetzung von Natura 2000 müsse erhalten bleiben und man dürfe nicht in der Bürokratiefalle enden.
Matthias Grün, Direktor des Bereiches Forst- und Naturmanagement der Esterházy Betriebe GmbH, berichtete den TagungsteilnehmerInnen über die Praxis der Forstwirtschaft in einem Natura 2000-Gebiet. Die Esterházy Betriebe bewirtschaften insgesamt 1440 Hektar Wald im Natura 2000-Gebiet „Neusiedler See- Nordöstliches Leithagebirge“.
Die gegenwärtig bestehenden Gebietsverordnungen im Burgenland lassen klare Vorgaben vermissen und weisen dadurch großen Interpretationsspielraum auf. Grundsätzlich ist die zeitgemäße Land- und Forstwirtschaft sowie die rechtmäßige Ausübung der Jagd und Fischerei in Natura 2000-Gebieten auch weiterhin möglich, insgesamt schwebe jedoch eine Extensivierung der forstlichen Nutzung über allem. Die Naturschutzabteilung im Burgenland hat sich zur Erstellung von Bewirtschaftungsplänen verpflichtet, doch erst in letzter Zeit setze sich dahingehend etwas in Bewegung.
Matthias Grün wies auf die Herausforderungen für einen Forstbetrieb bei der Umsetzung von Natura 2000 hin. So sind bei der forstlichen Auszeige in Natura 2000-Gebieten adäquate Artenkenntnisse unabdingbar, das Belassen von Totholz in der Nähe von Wegen sei im Zusammenhang mit der Sicherungspflicht problematisch. Das Zurückdrängen nicht autochthoner Arten wie Götterbaum oder Robinie gehe mit immensem Aufwand für den Betrieb einher, hier seien zusätzliche finanzielle Hilfestellungen dringend notwendig. Auch die Wildverbisssituation, in manchen Bereichen anhand der Lockung durch Fütterungsstellen zusätzlich verstärkt, stelle nicht nur im Natura 2000-Gebiet ein Problem für die Waldbewirtschaftung dar. Im Jahr 2010 plante der Forstbetrieb den Bau einer Forststraße, die Naturschutzabteilung erachtete die Erschließung als nicht im Sinne des Naturschutzes. Nachdem der Betrieb die Notwendigkeit der Erschließung argumentierte und Kartierungen durchgeführt wurden, konnte man sich schlussendlich auf eine Erschließungsvariante einigen. Aufbauend auf diesem Lernprozess seien die Zusammenarbeit mit der Naturschutzabteilung und die folgenden Erschließungsprojekte deutlich besser und einfacher verlaufen. Natura 2000 als „die große Chance“ lässt Matthias Grün als Verkaufsargument an die WaldbesitzerInnen nicht gelten, da inner- und außerhalb von Natura 2000-Gebieten dieselben Maßnahmenförderungen mit gleichen Fördersummen möglich seien. Die derzeitigen Fördersummen würden sich jedenfalls als nicht kostendeckend erweisen, auch Ausschüttungszeiten von teilweise einem halben Jahr und länger sind zu kritisieren. Die derzeitige Beschränkung von Maßnahmen auf bestimmte Flächen sei ebenfalls nicht nachzuvollziehen, da eine breitere Maßnahmenumsetzung oftmals sinnvoller wäre. „Wenn für einen Spechtbaum zehn Seiten Papier auszufüllen sind, ist dies für den Waldbesitzer wenig interessant“.
In seiner Zusammenfassung sieht Matthias Grün derzeit klare Einschränkungen der Handlungsfreiheiten im Natura 2000-Gebiet, Managementpläne als wichtige Leitfäden fehlen weitgehend. Durch die geringe Einbindung konnte das Vertrauen der Grundeigentümer bislang nicht gewonnen werden, in Zukunft hoffe er dahingehend auf Besserung. Denn die grundlegende Bereitschaft der GrundeigentümerInnen sei gegeben, es bräuchte aber passende Programmangebote.
Anne Meyer, Mitarbeiterin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), gab den TagungsteilnehmerInnen Einblicke in die Natura 2000-Umsetzungsstrukturen für den bayerischen Wald. Grundlegende Rahmenbedingungen bei der Umsetzung sind dabei klare Zuständigkeiten und eine enge Zusammenarbeit zwischen Umwelt- und Forstverwaltung. In Bayern ist die Natura 2000-Gebietsausweisung seit 2004 abgeschlossen, mehr als die Hälfte des Schutzgebietsnetzwerks besteht aus Wäldern. Während in Bayern mit 54% insgesamt der Privatwaldanteil überwiegt, dominiert im Natura 2000-Netzwerk eindeutig der öffentliche Waldanteil. Als zentrales Element der Umsetzung dient der Managementplan, für dessen Erstellung eine verbindliche Arbeitsgrundlage in Bayern vorliegt. Darin werden unter anderem Zuständigkeiten, (notwendige) Erhaltungsmaßnahmen als auch (wünschenswerte) Entwicklungsmaßnahmen definiert, um Fördergelder auch zielgerichtet einsetzen zu können. Der Ablauf der Managementplanerstellung geht mit einer möglichst großen Beteiligung der GrundeigentümerInnen einher, wichtigstes Kernstück bildet dabei ein Runder Tisch. Dieser dient vor allem dazu, Konflikte möglichst früh erkennen und lösen zu können, um die Umsetzbarkeit des Managementplans zu gewährleisten. Dabei stehen allerdings fachliche Fragen im Vordergrund, Schutzgüter o.ä. werden nicht mehr diskutiert. Der Runde Tisch schaffe Transparenz und ermögliche das Gespräch auf Augenhöhe. Die Umsetzung des Natura 2000-Managementplans hat in Bayern für Behörden und den öffentlichen Wald Verbindlichkeit. Die Bayerischen Staatsforste haben sich zur Umsetzung von Natura 2000-Maßnahmen verpflichtet und integrieren eigene Naturschutzkonzepte in ihre Forsteinrichtung. Im Privat- und Kommunalwald wird Natura 2000 über freiwillige Vertragsnaturschutzprogramme umgesetzt, Gebietsbetreuung und zuständige Behörden bieten entsprechende Beratungsmöglichkeiten. Managementpläne sind für ein Drittel der Natura 2000-Gebiete in Bayern fertiggestellt, im Jahr 2019 soll die Planerstellung für den Wald abgeschlossen sein.
Eberhard Aldinger, Leiter der Abteilung Waldnaturschutz der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), erläuterte in seinem Vortrag die Philosophie hinter der Natura 2000-Umsetzung in Baden-Württemberg. Um die rechtlichen Rahmenbedingungen zu erfüllen und dabei größtmögliche betriebliche Freiheiten zu gewährleisten, wird die Integration der Natura 2000-Ziele in die Forstbetriebe angestrebt. Die WaldeigentümerInnen sind dafür verantwortlich, die FFH-Ziele auf ihren Flächen umzusetzen, die dafür notwendigen Vorgaben geben die Managementpläne, die für rund ein Drittel der Gebiete bereits vorliegen und öffentlich zugänglich sind. Für die Bewirtschaftung der verschiedenen Waldlebensraumtypen wurden eigene, mit den FFH-Zielen abgestimmte waldbauliche Richtlinien erstellt, landesweit wurde ein Alt- und Totholzkonzept (AuT) ausgearbeitet und umgesetzt. Bei Arten der FFH-Richtlinie wird zwischen Waldwirtschafts- und Pflegearten unterschieden, erstere können im Rahmen einer entsprechenden Waldbewirtschaftung erhalten werden. Bei den Pflegearten handelt es sich meist um seltene Arten, für deren Erhalt spezielle Konzepte erforderlich sind. Durch die Erstellung von Praxishilfen wird hier ein artspezifisches Management gewährleistet.
Stimmungsbarometer zur Umsetzung von Natura 2000 im Lebensraum Wald
Wie sieht die aktuelle Stimmung der TagungsteilnehmerInnen bezüglich Natura 2000 im Wald aus? Welche Meinungen und Sichtweisen werden vertreten, welche Hoffnungen und Befürchtungen bestehen? Bei Kaffee und Kuchen waren die TeilnehmerInnen der Tagung dazu aufgerufen, ihre Meinung zu vorbereiteten Statements rund um Natura 2000 im Wald auf den Punkt zu bringen. Die Ergebnisse dieses Stimmungsbarometers können Sie der nachfolgenden Bilderserie entnehmen.
Podiums- und Publikumsdiskussion
Die abschließende Podiums- und Publikumsdiskussion stand unter dem Motto „Natura 2000 – Gemeinsam Chancen für Österreichs Wälder nutzen!“ und wurde von Wolfgang Suske moderiert.
Welche Chancen sind mit Natura 2000 verbunden und wer hat diese Chancen?
Der Erhalt der biologischen Vielfalt in Europa ist im Interesse aller Menschen, betonte François Kremer, Natura 2000 sei dafür ein entscheidender Baustein und komme somit grundsätzlich allen zugute. Die Umsetzung naturschutzfachlicher Maßnahmen unter Natura 2000 wird WaldbewirtschafterInnen finanziell abgegolten und stellt so die Möglichkeit neuer Einkünfte dar. Natura 2000 als Label biete zusätzliche Chancen und zahlreiche Mitgliedsstaaten seien dahingehend bereits aktiv.
Was wünscht sich die Forstwirtschaft und wie kann die Zusammenarbeit von Naturschutz und Forstwirtschaft in Sachen Natura 2000 verbessert werden?
Aus Sicht der Forstwirtschaft wünscht sich Gerhard Mannsberger vom Natura 2000-Umsetzungsprozess vor allem ein stärkeres gemeinsames Vorgehen. Insbesondere die GrundbesitzerInnen, die Natura 2000 im Wald schlussendlich umsetzen, müssen aktiv eingebunden werden. Der Walddialog stelle ein positives Beispiel dafür dar, wie man Probleme gemeinsam anpacken und lösen könne. Für Viktoria Hasler illustriert die Geschichte der Nationalparks Kalkalpen (Österreichische Bundesforste) und Gesäuse (Steiermärkische Landesforste), dass die Zusammenarbeit zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz durchaus funktionieren kann. Anfängliche Schwierigkeiten und Differenzen konnten durch kontinuierlichen Dialog und gemeinsame Anstrengungen gelöst werden, diese Kooperation erhielt schlussendlich auch europaweite Anerkennung. Für Nicole Schreyer, Biologin und Bundesratsmitglied, hat der Tourismus aufgezeigt, dass er sich trotz der oft unterschiedlichen Zielsetzungen sowohl mit Naturschutz als auch mit Forstwirtschaft vereinbaren lässt.
Was wünscht sich der Naturschutz von der Forstwirtschaft?
Von der österreichischen Forstwirtschaft wünscht sich Gerhard Heilingbrunner, dass die Ziele der FFH- und Vogelschutzrichtlinie ernst genommen werden und aktiv an ihrem Erreichen mitgearbeitet wird. Bislang sei über Natura 2000 im Wald noch kaum gesprochen worden, das Ziel des Projekts NATURA2000.WALD sei es daher auch aufklärend zu wirken und Vorurteile bzw. falsche Befürchtungen auszuräumen. Bei der derzeit zu beobachtenden Tendenz zur Nutzungsintensivierung in der Forstwirtschaft werde es immer wichtiger, die hohe ökologische Bedeutung des Waldes stärker zu berücksichtigen und langfristig zu sichern. Die europäischen Naturschutzrichtlinien geben hierfür einen klaren Rahmen vor, der ausreichend Spielraum für eine Umsetzung im Sinne aller Beteiligten läßt. Dafür müsse man sich aber zur Mitarbeit entschließen und Blockadepositionen aufgeben. Bei der innerösterreichischen Umsetzung von Natura 2000 liege immer noch einiges im Argen. Laut François Kremer ist die Europäische Kommission derzeit u.a. damit beschäftigt, die rechtliche Ausweisung der Natura 2000-Gebiete in den Mitgliedsstaaten zu untersuchen.
In einigen Punkten sei die Kritik an den Bundesländern hinsichtlich der Natura 2000-Umsetzung berechtigt, merkte Hermann Hinterstoisser an, allerdings bestehe in Österreichs Naturschutz vor allem ein strukturelles Problem. Bei einem Vergleich mit Bayern oder Baden-Württemberg sei zu berücksichtigen, dass in Österreich keine Landesämter wie in den deutschen Bundesländern bestehen. Die Naturschutzabteilungen in Österreich sind strukturell für die Abwicklung von Naturschutzverfahren konzipiert, müssten heute aber auch Berner Konvention, Alpenkonvention, Natura 2000 etc. umsetzen. Eine weitere Erschwernis stelle das österreichische Vergaberecht dar, Kartierungen in Auftrag zu geben werde dadurch extrem langwierig und verzögere die Umsetzung enorm.
Fällt Österreich in Angelegenheiten wie Natura 2000 der Förderalismus auf den Kopf?
Für Gerhard Mannsberger fehlt in Österreich eine übergeordnete Struktur im Naturschutz, wodurch sich der Föderalismus bei Natura 2000 nicht gerade als förderlich darstelle. EU-relevante Themen gehen teilweise direkt zu den Bundesländern, der Bund könne nur eine gewisse Koordinationsrolle anbieten. Zur Verbesserung der Situation würden sich verschiedene Möglichkeiten anbieten, bei EU-Themen seien ohne eine übergeordnete Naturschutzstruktur jedenfalls weiterhin Schwierigkeiten zu erwarten. Für Michael Johann (Grüner Klub im Kärntner Landtag) wird die Umsetzung von Natura 2000 in Österreich durch den Föderalismus erheblich erschwert, da dieselben Themen in neun verschiedenen Landesgesetzen behandelt werden. Vor allem der Vortrag aus Bayern habe für Viktoria Hasler aufgezeigt, was in Österreich bei Natura 2000 fehle, nämlich eine klare „Leader“-Rolle und eine Struktur der Verantwortlichkeiten. Nicole Schreyer sieht in Sachen Natura 2000 ebenfalls das Problem, dass die Umsetzung in den Händen der Bundesländer liegt, der Bund allerdings die Verantwortung gegenüber der Europäischen Union trage. Eine Koordinierung des Naturschutzes wäre bei der gemeinsamen Tagung der NaturschutzreferentInnen der Bundesländer gut aufgehoben, die erstmal seit 1997 wieder stattfindet.
Für Bernhard Budil (Land&Forst Betriebe Österreich) kann Natura 2000 nicht funktionieren, da es sich um einen „Top-Down“ Prozess seitens Europäischer Union handle. Die dringendsten Hausaufgaben bei der Umsetzung, Information, Einbindung und Finanzierung, seien bislang nicht gemacht worden. Zu kritisieren sei die Schattenliste des Umweltdachverbands, da bei der Ermittlung möglicher Schutzgutvorkommen GrundeigentümerInnen nicht zu Rate gezogen wurden, als auch das Kuratorium Wald als Tagungsveranstalter. Auch für Renate Haslinger (BIOSA) ist die Schattenliste des Umweltdachverbands zu kritisieren. Für François Kremer sei der Begriff „Schattenliste“ nicht gut gewählt, allerdings bestehe in Österreich auf jeden Fall Nachholbedarf bei der Ausweisung von Natura 2000-Gebieten, um alle relevanten Schutzgüter im Gebietsnetzwerk adäquat zu repräsentieren. Insgesamt wäre die Diskussion in Österreich nicht so hitzig, hätte man von Anfang an besser über Natura 2000 aufgeklärt. Denn Natura 2000 stehe für ein modernes Naturschutzinstrument und verfolge insgesamt das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung in den Gebieten.
Da die erste Ausweisung von Natura 2000-Gebieten über den Köpfen der GrundbesitzerInnen hinweg gemacht worden sei, ist für Hans Tilly (Tilly Forstbetriebe GmbH) klar, dass derzeit kein Vertrauen gegeben sei. Österreichs Waldbesitzer hätten den Wald in den letzten 100 Jahren nachhaltig bewirtschaftet. Natura 2000 erwecke den Eindruck als wolle man damit erklären, wie nachhaltige Waldwirtschaft funktioniere. Es brauche jedenfalls Überzeugungsarbeit des Naturschutzes, dass es sich bei Natura 2000 im Wald um eine gute Sache handle.
Auch aus Sicht der Österreichischen Bundesforste gibt es Kritik an Natura 2000, Gerald Plattner sieht jedoch auch positive Seiten. So hätten die ÖBF ohne Natura 2000 als Anlassfall nie mit Birdlife kooperiert und gemeinsam Vogelschutzmaßnahmen im Wald erarbeitet. Derzeit finde sowohl ein Naturschutz- als auch ein Forstwirtschafts-„Bashing“ statt, die Europäischen Naturschutzrichtlinien seien lange genug bekannt und sollten umgesetzt werden. Mittlerweile habe sich hier schon einiges gewandelt, so sei die Erstellung von Managementplänen vor zehn Jahren noch abgelehnt worden. Sowohl in Sachen Naturschutzbehörden als auch hinsichtlich der Finanzierung von Natura 2000 seien strukturelle Mängel auszumachen, das Geld für die drohenden Strafzahlungen durch die EU sollten besser für tatsächliche Klimaschutzmaßnahmen und die Umsetzung von Natura 2000 verwendet werden.
Laut Gudrun Strauß-Wachsenegger (Naturschutzabteilung Oberösterreich) sei die Stimmung zu Natura 2000 in Oberösterreich sehr unterschiedlich, die Diskussionen durch die Schattenliste würden die Arbeit derzeit aber nicht erleichtern. Ähnlich wie in Bayern werde auch in Oberösterreich versucht, alle Stakeholder bei der Umsetzung von Natura 2000 zu beteiligen, indem für die oberösterreichischen Natura 2000-Gebiete Fachausschüsse eingerichtet werden. GrundbesitzerInnen, Interessens- und GemeindevertreterInnen werden dazu eingeladen, dennoch sei die Teilnahme äußerst gering.
Gerhard Mannsberger appellierte für einen Dialog in Sachen Natura 2000 und Wald, wie er bspw. beim Thema Schutzwald im Rahmen des Walddialogs umgesetzt wurde. Der biogeographische Prozess der Europäischen Union und die Einbindung aller Stakeholder seien jedenfalls sehr zu begrüßen. Der für die Umsetzung von Natura 2000 notwendige finanzielle Rahmen müsse unbedingt gewährleistet werden. Um die WaldbewirtschafterInnen zu gewinnen, brauche es jedenfalls einen fairen finanziellen Ausgleich, das Österreichische Waldökologieprogramm könne dazu einen Beitrag leisten. Viktoria Hasler machte auf die Ergebnisse des Zustandsberichts nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie aufmerksam. Demnach habe sich der Zustand von Waldlebensraumtypen und waldrelevanter Arten nicht verbessert bzw. weiter verschlechtert. Bei der Umsetzung von Natura 2000 im Wald seien daher deutlich größere Anstrengungen nötig als bisher, um die Ziele erreichen zu können. Gerhard Heilingbrunner forderte, die Ergebnisse des Zustandsberichts jedenfalls öffentlich zugänglich zu machen und kündigte die Veröffentlichung einer Studie über die rechtliche Ausweisung der Natura 2000-Gebiete in Österreich an, die von Umweltdachverband und Kuratorium Wald erarbeitet wurde. An die WaldbesitzerInnen richtete er den Appell, sich mit Natura 2000 auseinanderzusetzen und sich möglichst aktiv an der Umsetzung zu beteiligen.